Sie erwägen den nächsten Karriereschritt nach dem Jurastudium oder haben bereits Erfahrung als Rechtsanwalt bzw. Rechtsanwältin gesammelt? Die Eröffnung einer eigenen Kanzlei ist für Juristen häufig eine interessante Perspektive. Welche Fragen und Herausforderungen für Kanzleigründer damit verbunden sind, wird in diesem Artikel thematisiert.
Strategie
Wie bei einer Unternehmensgründung üblich, bringt auch eine Kanzleigründung viele unterschiedliche Herausforderungen mit sich. Um den Überblick zu behalten und der Unternehmung Struktur zu geben, ist bei der Gründung einer Rechtsanwaltskanzlei die Erstellung eines Businessplans sinnvoll. Dieser ist auch häufig Voraussetzung, um eine Förderung oder Finanzierung für die Kanzleigründung zu erhalten.
Für die Annahmen hinsichtlich der Kanzleigründung sind Erfahrungswerte hilfreich. Zögern Sie nicht, bei der Erstellung des Businessplans berufstätige Rechtsanwaltskollegen oder erfahrene Kommilitonen um Hilfe und Tipps zu bitten.
Wie sieht ein Businessplan aus und was genau gehört hinein? Im Internet finden Sie auf unterschiedlichen Seiten Vorlagen und Checklisten zur Erstellung eines Businessplans für Ihre Kanzleigründung. Beispielsweise liefert das Soldan Institut diesbezüglich eine Vorlage.
Wichtige Entscheidungen bei der Kanzleigründung
Zu den strategischen Überlegungen gehört auch, wie Ihre Kanzlei aufgebaut sein soll.
Alleine oder im Team
Wollen Sie alleine gründen oder gemeinsam mit mehreren Personen eine Rechtsanwaltskanzlei aufbauen? Beide Varianten haben ihr Für und Wider. Gründen Sie alleine, ist Ihr Gestaltungsspielraum größer und Sie können alle Entscheidungen selbst treffen. Es kann jedoch auch helfen, Wissen und Kompetenzen zu bündeln und die Herausforderung im Team anzugehen. Auch die Kosten verteilen sich zum Teil auf mehrere Schultern, was das Risiko für alle Gründer verringert.
Ausrichtung der Kanzlei
Zu Beginn ist es üblich, alle Mandate anzunehmen, um einen Mandantenstamm aufzubauen und praktische Erfahrungen zu sammeln. Es kann jedoch hilfreich sein, sich schon frühzeitig zu überlegen, welche Rechtsgebiete Ihnen persönlich liegen, um Ihre Spezialisierungen zu finden. Spezialisierungen helfen dabei, eigene Zielgruppen zu definieren und Kernkompetenzen zu bilden. Die Abgrenzung von anderen Kanzleien vereinfacht auch bestimmte Prozesse, wie zum Beispiel die Erstellung einer Marketingstrategie.
Büro oder digitale Kanzlei
Die Digitalisierung hat es ermöglicht, dass auch eine Rechtsanwaltskanzlei weitestgehend digital geführt werden kann. Gerade zu Beginn der Selbstständigkeit als Anwalt ist diese Variante interessant. Die Kosten für Büroräume fallen weg und müssen auch erstmal nicht erwirtschaftet werden. Dadurch sinkt Ihr Kapitalbedarf für die Gründung und damit das finanzielle Risiko.
Allerdings ist ein rein digitaler Kontakt mit Ihren ersten Mandanten bei der Entwicklung einer Anwalt-Mandant-Beziehung nicht förderlich. Auch für Laufkundschaft gibt es in diesem Fall keinen Anlaufpunkt.
Wenn Sie kein eigenes Büro eröffnen möchten, aber auch nicht in den eigenen vier Wänden arbeiten wollen, können Sie einen Arbeitsplatz in einem Coworking Space mieten. Hier stehen teilweise auch Meetingräume zur Verfügung, wenn doch mal ein Meeting mit einem Mandanten ansteht.
Standortwahl
Sollten Sie sich dafür entscheiden, ein Büro zu eröffnen, stellt sich die Standortfrage. Dabei gilt es zu unterscheiden, ob Sie in der Stadt oder auf dem Land gründen, da die Gegebenheiten und Kosten insbesondere für Büroräume unterschiedlich sind.
Grundsätzlich sollten Sie bei der Erreichbarkeit Ihrer Kanzlei an die Anfahrt mit dem Auto, dem ÖPNV und Fahrrad denken. Je nachdem, welche Zielgruppen Sie ansprechen möchten, kann es auch wichtig sein, von Laufkundschaft gut gefunden zu werden.
Ein weiterer Faktor bei der Kanzleigründung ist die Konkurrenzsituation am jeweiligen Standort. Haben sich im selben Gebäude oder in der unmittelbaren Nähe bereits andere Anwälte niedergelassen, kann das ein Minuspunkt sein. Im Umkehrschluss könnten Sie nach einem Standort suchen, an dem relativ wenige Kanzleien in der Nähe sind. Hierzu können Sie das Anwaltsverzeichnis oder einen Kartendienst wie Google Maps nutzen.
Je nachdem, wie Sie Ihre Kanzlei ausrichten möchten, spielt auch das Prestige eines Standorts oder eines Gebäudes eine Rolle. Sollten Sie sich in Richtung einer Anwaltsboutique (einer kleinen, spezialisierten Kanzlei) orientieren, könnten Sie ggf. eine prestigeträchtige Lage in der Nähe von Gerichten in Betracht ziehen.
Finanzierung
Da die Kosten für eine Kanzleigründung je nach Umfang vergleichsweise gering sind, können für diese in manchen Fällen private Reserven als Startkapital genutzt werden. Stehen diese nicht zur Verfügung oder reichen sie nicht für den vollen Umfang der Gründungskosten aus, kommen verschiedene Finanzierungsmöglichkeiten in Betracht.
Der klassische Weg ist das Bankdarlehen. Allerdings bietet die KfW im Rahmen der Kanzleigründungsfinanzierung möglicherweise bessere Konditionen als eine private Bank. Diese Konditionen können zinsgünstiger sein, eine längere Laufzeit haben oder zu Beginn tilgungsfreie Jahre beinhalten. So ist ein auskömmliches Einkommen auch in der Kanzleigründungsphase möglich.
Es gibt allerdings auch auf Landesebene Förderprogramme und Zuschüsse, von denen Sie bei der Kanzleigründung profitieren können. Weitere Informationen finden Sie bspw. beim Deutschen Anwaltverein.
Ergänzend bietet auch die Agentur für Arbeit einen Gründungszuschuss an. Dieser deckt unter gewissen Voraussetzungen die Lebenshaltungskosten und Sozialversicherungsbeiträge in den ersten Monaten der Kanzleigründung ab. Eine intensive Suche nach Förderungen, die zu Ihrer Situation passen, kann sich also durchaus lohnen. Es ist empfehlenswert, bereits in dieser Phase der Kanzleigründung einen Steuerberater zu konsultieren. So kann die finanzielle Situation der Kanzlei von Anfang an optimal geplant werden.
Administrative Aufgaben
Mit der Kanzleigründung entstehen auch einige administrative Aufgaben. Hier hat die formelle Gründung der Kanzlei Priorität. Soll ein Büro eingerichtet werden, stehen auch die Suche nach geeigneten Räumlichkeiten, deren Einrichtung sowie evtl. auch die Suche nach geeignetem Personal an.
Zusätzlich müssen verschiedene Geräte angeschafft und Verträge abgeschlossen werden. Neben Verträgen für Telefon und Internet müssen auch EDV-Geräte, wie Computer, Telefone, Drucker und Scanner, angeschafft werden, sofern diese nicht noch aus Studienzeiten vorhanden sind. Hierzu lohnt es sich auch, sich um die IT-Sicherheit Ihrer Kanzlei zu kümmern, denn Sie arbeiten in einer Kanzlei mit sensiblen Kundendate, die optimal geschützt werden sollten.
Das Einhalten von Datenschutzvorschriften ist ebenso ein wichtiger Punkt. Manchmal lohnt es sich, einen externen Datenschutzbeauftragten zu engagieren. Arbeiten mehr als 20 Mitarbeiter mit personenbezogenen Daten in einer Kanzlei, ist das Benennen eines Datenschutzbeauftragten (ob extern oder intern) sogar Pflicht.
Hinzu kommt die Entscheidung für eine Kanzleisoftware, die modern und leistungsfähig ist. Da diese Wahl i.d.R. für eine längere Zeit getroffen wird, sollte sie bewusst und fundiert sein. Um sich einen Eindruck von unserer Anwaltssoftware KanzLaw zu verschaffen, buchen Sie einfach einen Präsentationstermin ganz unkompliziert auf unserer Website.
Kosten
Die Kosten einer Kanzleigründung können vergleichsweise gering sein. Das hängt davon ab, wie die Kanzlei zu Beginn aufgebaut sein soll. Es entstehen Kosten, die einmalig anfallen, wie zum Beispiel der Kauf elektronischer Geräte. Dazu kommen Kosten, die wiederkehrend sind, wie die obligatorische Berufshaftpflichtversicherung oder der Mobilfunkvertrag. Hinzu kommen Beiträge für die Anwaltskammer, das beA und weitere Versicherungen, die je nach individueller Situation empfehlenswert sind.
Gerade zu Beginn ist es sinnvoll, die Fixkosten gering zu halten und auf ein großes Büro oder einen kostspieligen Firmenwagen zu verzichten. Dadurch müssen Sie anfangs weniger Mandate akquirieren, um die Kosten zu decken.
Häufig ist es empfehlenswert, ReFas erst dann einzustellen, wenn die Mandate den Großteil Ihrer Zeit beanspruchen und langsam Ihre Kapazitäten schwinden, auch diese Aufgaben zu erledigen. Es ist jedoch auch möglich, erstmal auf externe Dienstleister zurückzugreifen, die Sekretariats- und Telefonservices übernehmen.
Ferner kann eine passende Kanzleisoftware Sie darin unterstützen, effizienter zu arbeiten und Routine-Aufgaben zu automatisieren.
Im Rahmen der Gründung werden Sie vermutlich Kenntnisse und Fähigkeiten benötigen, die Ihnen während des Jurastudiums nicht vermittelt wurden. Je nach Ihren Kompetenzen, Interessen und Erfahrungen ist es sinnvoll, gewisse Arbeiten selbst zu übernehmen oder diese einzukaufen. Das betrifft zum Beispiel das Erstellen einer professionellen Website oder das Kreieren eines einheitlichen Markenauftritts. Dazu gehören jedoch auch Aufgaben wie die Einrichtung der IT-Infrastruktur während der Kanzleigründung.
Marketing
Eine zentrale Herausforderung in der Phase der Kanzleigründung ist häufig das Kreieren von Aufmerksamkeit für die Kanzlei, um neue Mandanten zu akquirieren.
Im ersten Schritt ist es wichtig, eine geschäftliche Telefonnummer einzurichten und Visitenkarten zu drucken. Zusätzlich sollten Sie eine eigene Webpräsenz schaffen, um Ihre Erreichbarkeit sicherzustellen und Ihre digitale Sichtbarkeit zu steigern.
Damit Ihre Kanzlei-Website von Suchmaschinen schnell gefunden wird, sollten Sie sich bereits bei der Erstellung über die Suchmaschinen-Optimierung Gedanken machen.
Sie sollten sich außerdem entscheiden, welche Zielgruppen Sie ansprechen wollen und wie Ihnen das gelingen kann. Hierfür stehen Ihnen diverse digitale und analoge Marketingkanäle offen. Zum Beispiel:
- Eine Zeitungsanzeige über die Eröffnung Ihrer Anwaltskanzlei.
- Internet-Werbung (z.B. Werbung in den Suchmaschinen)
- Ein Werbebanner / Plakat unweit Ihrer Kanzlei
- Eintrag in die Fachverzeichnisse / Gelbe Seiten
- Eintrag in Google Maps / Erstellen eines Google-Unternehmensprofils
- Content-Marketing auf Social Media oder ein eigener Blog
Bei weiteren Überlegungen sollten auch die Listung und Bewertung auf einschlägigen Portalen sowie das Empfehlungsmanagement eine zentrale Rolle spielen.
Rechtliches
Auch auf rechtlicher Ebene gibt es einiges zu beachten. Wie beschrieben, müssen Sie sich bei der jeweiligen Anwaltskammer registrieren. Zudem kommt es darauf an, ob Sie alleine oder gemeinsam mit weiteren Personen gründen möchten. Von einer GbR bis hin zu einer Kapitalgesellschaft gibt es in diesem Fall mehrere Möglichkeiten.
Rechtsformen
- Einzelanwalt
Anwalt übt Tätigkeit alleine und auf eigene Verantwortung aus - Bürogemeinschaft
Büroräume und Mitarbeiter werden gemeinsam genutzt, die Kanzleien werden jedoch eigenständig geführt - Sozietät als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR)
Mind. zwei Personen schließen sich zu einer Gemeinschaft bürgerlichen Rechts, im Speziellen zu einer Sozietät, zusammen
Diese Rechtsform ist durch eine gemeinsame unbeschränkte Haftung und geringen bürokratischen Aufwand charakterisierbar
Mandate werden der Sozietät und nicht einem einzelnen Anwalt überantwortet - Partnerschaft (PartGG)
Zusammenschluss mehrer Personen, die einem freien Beruf angehören
Die Haftung ist unbeschränkt, jedoch abhängig von der eigenen Verantwortung für den Haftungsfall - Partnergesellschaft mit beschränkter Berufshaftung (PartGmbB)
Eine Variante der Partnergesellschaft, die die Berufshaftung beschränkt und das Privatvermögen außen vor lässt
Stellt eine Alternative zur internationalen Limited Liability Partnership (LLP) dar - Kapitalgesellschaft (z. B. Anwalts-GmbH oder AG)
Mehrere Rechtsanwälte schließen sich zur gemeinsamen Berufsausübung zusammen
Durch die Gründung entsteht eine juristische Person und eine voll rechtsfähige privatrechtliche Personenvereinigung - Internationale Kanzlei, z. B. als Limited Liability Partnership (LLP)
Äquivalent zur Partnerschaftsgesellschaft (PartG mbB) nach britischem/amerikanischem Recht
Versicherungen
Neben der verpflichtenden Vermögensschadenhaftpflichtversicherung gibt es weitere Versicherungen, die je nach Ihrer individuellen Situation sinnvoll sein können:
- Vermögensschadenhaftpflicht (Pflicht): Bei fachlichen Fehlern im Rahmen der Anwaltstätigkeit
- Berufshaftpflichtversicherung: Bei Verletzungen von Mandanten in der Kanzlei
- Cyberversicherung: Bei Cyberangriffen
- Inhaltsversicherung: Bei Schäden in der Kanzlei z.B. durch Brand oder Wasser
- Betriebsausfallversicherung: Bei krankheits- oder unfallbedingten Ausfall von zentralen Personen in der Kanzlei
- Rechtsschutzversicherung: Bei Angelegenheiten, bei denen man sich nicht selbst vertreten möchte
Nicht zuletzt sollten Sie daran denken, einen Antrag auf Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Rentenversicherung zu stellen. Zudem melden Sie Ihre Kanzlei beim Finanzamt an, um eine Steuernummer zu erhalten.
Alternativen
Sind Sie nach den Ausführungen nicht sicher, ob die eigene Kanzlei das Richtige für Sie ist oder ob Sie bereit für eine Gründung sind, gibt es auch Alternativen.
Wenn Sie sich nicht vorstellen können, selbst zu gründen und eine Kanzlei aufzubauen, besteht auch die Möglichkeit, eine Kanzlei zu übernehmen.
Der demografische Wandel wird auch bei Anwälten dazu führen, dass Ihre Chancen für eine Kanzleiübernahme zunehmen werden.
Wollen Sie sich erstmal an die Selbstständigkeit herantasten und Erfahrungen als Rechtsanwalt sammeln, können Sie als freier Mitarbeiter für eine oder mehrere Kanzleien tätig werden. Dadurch können Sie nicht nur Anwaltstätigkeiten ausüben, sondern auch von erfahrenen Juristen lernen, wie eine Kanzlei geführt wird und was zu beachten ist.
Nicht zuletzt besteht auch die Möglichkeit, sich bei einer Anwaltskanzlei anstellen zu lassen und sich auf die Tätigkeit als Anwalt zu konzentrieren.
Die Empfehlungen in diesem Artikel sind nicht als rechtssicher oder vollständig zu betrachten, sondern dienen lediglich der Orientierung.